2. Meller Bahnmarathon am 15.01.2011 – inoffizieller Bericht eines Laufverrückten
Hätte mir vor fünf Jahren jemand erzählt, dass ich mal einen Ultralauf über 54,5 km und einen Marathon über 105,5 Runden auf dem Sportplatz bestreite, hätte ich diese Person für grenzdebil erklärt.
Seit kurzer Zeit befinden sich beide Ereignisse auf meinem Haben-Konto.
Während sich der Ultralauf mit wachsendem Abstand (er fand am 02.10.2010 statt) zu einer Legende verklärt, in deren Verlauf ich engelsgleich mit einem permanenten Lächeln auf den Lippen ein lockeres Trainingsläufchen absolvierte, ist die Erfahrung des Bahnmarathons noch sehr frisch:
Am Samstag, den 15.01.2011, wachte ich gegen 5.15 Uhr nach einer ruhelosen Nacht total übermüdet auf. Obwohl ich noch lockere zwei Stunden weiterschlafen durfte, konzentrierte sich mein Körper lieber darauf, das Pfeifen des Windes und das Blubbern der Heizung minutiös festzuhalten.
Um 6.45 Uhr gab es dann kein Halten mehr: mit dem sprichwörtlichen (aber symbolisch gemeinten!) Schiss in der Bux sprang ich unter die Dusche und unterzog mich dem Morgenritual, wobei ich mir ca. 500 g Creme unter die Augen schmieren musste, um aus selbigen überhaupt gucken zu können.
War da nicht ein Hüsterchen? Und ein chronisches Sausen? Und ein Ziehen unterhalb des Knies? Zum Glück alles Fehlalarm.
Nach einem leichten, nach Ernährungsfibel angerichteten Frühstück ging es daran, die Tasche zu packen, und zwar von wichtig nach unwichtig. Schuhe zuerst (Barfußlaufen ist auch auf der Tartanbahn eine Tortur), und dann Teil für Teil, bis die Tasche, die sonst ALLEN sportlichen Ansprüchen (inklusive Sprint-/Olympischem-/Langdistanz-Triathlon) genügt, überquoll.
Später stellte sich heraus, dass ich mein Startnummernband vergessen hatte (wie konnte es auch anders sein), so dass ich die Nummern mit Sicherheitsnadeln befestigen musste (gefällt den diversen Finisher-Shirts GAR NICHT!!!), wobei natürlich Rücken mit Vorderseite verbunden wurde, so dass ein Anziehen des T-Hemdes unmöglich wurde.
Nachdem alle kleinen Hindernisse beseitigt waren, war es auch Zeit für die Startbesprechung (Vorstellung der Strecke mit allen Besonderheiten, Höhenprofil, Verpflegungsstellen usw.) und der anschliessenden Aufstellung.
Bereits auf dem Weg zur Kurve, in der sich der Punkt zum Loslaufen befand, schwante mir Übles: Teilnehmende „Endorphinjunkies“, „Streakrunner“, und einige Finisher-Shirts mit Kilometerangaben weit über 42,195 Kilometer liessen nur den Schluss zu, dass hier alles andere als der gemeine „Ich-laufe-am-Wochenende-5 km-und-nenne-mich-Läufer-und wenn es regnet-bleibe-ich-lieber-zu-Hause“-Jogger am Start war. Unauffällig versuchte ich die Blicke der wenigen Teilnehmer zu erhaschen, die ich heimlich in meine Laufklasse einordnete und konnte nur eins entdecken: Gelassenheit.
Ich entschloss mich, den Gedanken zu fassen, dass Aufgeben keine Schande sei, und Teeren und Federn keine unangenehme Strafe und ergab mich in mein Schicksal. Für eine vorgetäuschte Verletzung war es eh zu spät.
Mit einigen aufmunternden Worten und guten Wünschen des Chef-Organisators und Ultraläufers Olaf „Ole“ Dittmann („alle 400 Meter gibt es eine Verpflegungsstelle, verlaufen geht auch nicht, kommt heil wieder“) wurde der Lauf gestartet.
Nun ist 105,5 eine endliche Zahl, kann sich aber unendlich hinziehen. Als Rookie bei dieser Veranstaltung hatte ich keinen blassen Schimmer, was mich erwartet. Sollte es doch den Drehwurm geben, über den alle gelästert hatten? Oder eine Verkürzung des linken Beins inklusive Körperschiefstand durch das einseitige (linkslastige, nicht monotone(!) Drehen der Runden? Runden? Runden? Runden?
Am besten erstmal anfangen. Ein nettes Pläuschchen hier, ein paar Worte da, schon waren die ersten zehn Runden vergangen. Ständig machte jemand den Witz, dass „es doch bald vorbei sei“. Hahaha. Nur noch 95,5 Runden. Oh, jetzt nur noch 94,5.
Irgendwann kam die erste Überrundung (erlittene, nicht eingeleitete) und die Motivation verabschiedete sich vom Keller Richtung Schacht Konrad.
Aber mitmachen ist ja bekanntlich alles und so kam ich irgendwann an Kilometer Zehn, die Uhr zeigte noch unter 60 Minuten und alles war gut. Die Vögel zwitscherten, die Frühlingsluft war Duftgeschwängert….ne, sorry, im Januar leider nicht. Dafür war die Begrenzung der Laufbahn beschädigt und es gab eine schmierige Stelle in einer Kurve, also Romantik pur.
Als alle Bestzeiten und Ziele für 2011 untereinander ausgetauscht waren, kam die Zeit des mp3-Players. Nur nicht so laut, wollte ich doch die Ansagen unserer Stadionsprecherin Katja nicht verpassen. Dadurch enstand eine unerträglich Mixtur aus 7 Seconds und dem Rennsteiglied, so dass nach zehn Minuten das kleinere Übel gewählt wurde: nur das Rennsteiglied. Und AC/DC. Und Wolle. Und, und, und…das sollte wohl aufmuntern.
Ach ja, zwischenzeitlich war ich dann auch noch so bekloppt, das Tempo anzuziehen und teilweise im 4.45er Schnitt die Bahn entlangzupflügen.
Das dicke Ende ließ nicht lang auf sich warten, wie die Bilder von Ela beweisen: schwere Beine, rote Rübe, und dass noch Luft da war, war zu nix gut.
Irgendwann war der „Mittelteil“ meines Laufes, in dem man locker drei zehn-Kilometer-Wettkämpfe unterbringen konnte, vorbei, und ich konnte den Countdown von zehn Runden abwärts beginnen lassen.
Leider zog sich das wie ein alter Kaugummi, und der Blick in die durch die Bank noch frischen Gesichter meiner MitstreiterInnen machte es leider nicht besser. Das Martyrium weiterer Überrundungen erleidend, musste ich sogar mit ansehen, wie ich von einigen Sportlern eingesammelt wurde, die ich unlängst mit einem geheimen „Jeeeppaa“ hinter mir gelassen hatte.
Die Tristesse wurde ab und an von Fragen wie : „Wieviele Runden noch?“, „Noch vier?“, „Noch drei?“ unterbrochen und irgendwann hieß es drei, zwei, eins – vorbei.
Die Beine liefen automatisch noch einige Meter weiter, bis jeder Körperteil in den Chor einstimmte: Fertig, aua, aua, aua!
Langsames Auslaufen in Richtung Verpflegungsstand war Pflicht und Cola, Kuchen und Dehnen bewirkten regenerative Wunder.
Der 2. Meller Bahnmarathon mit 42,195 Kilometern und 105,5 Runden um den Carl-Stracke-Platz machte sich in Gedanken bereits auf den selben Weg der Verklärung wie der 2. Else-Werre-(Ultra)-Trail: Geschafft! Was ein geiler Lauf! Und gar nicht soooo anstrengend!
Es hat ein bisschen wehgetan – aber das Fazit lautet trotz aller Strapazen: ein Top-Event.
Oles Organisation war super, die HelferInnen haben in allen Belangen toll für die Versorgung der SportlerInnen gesorgt (überragendes Buffet) und es war ein Zusammentreffen mit vielen netten Leuten.
Im kommenden Jahr bin ich hundertprozentig wieder dabei!